Bühnenstück

Buch: Felix Mitterer
Regie: Elke Hartmann

Die junge „Wally“, die mit dem Ausheben eines Adlernestes auch gleichzeitig die männlich dominierte Dorfstruktur aufbricht und sich nicht vorschreiben lässt, wen sie zu heiraten hat, ist bereits in zahlreichen Romanen, Dramen und Filmen thematisiert worden. 1992 schrieb der bekannte Tiroler Heimatdichter und Volksautor Felix Mitterer exklusiv für die Freilichtbühne seine Adaption der „Geierwally“. Anna Stainer-Knittel, die unter dem Namen „Geierwally“ in die Geschichte des Lechtals eingegangen ist, sollte ihm zu diesem Zweck als Vorlage und Inspiration dienen.

In Elbigenalp hat der Mythos seinen Ursprung. Das „Dorf“, wie es unter den Bewohnern des Lechtals liebevoll genannt wird, war Geburts- und Heimatort der wahren „Geierwally“. Anna Stainer-Knittel war die erste Frau, die aufgrund ihrer Begabung, ein Studium an der Kunstakademie in München beginnen durfte. Ihr Porträt der „Geierwally“ war es, das die historische mit der mythischen Figur verschmelzen ließ. Heute werden der Name Anna Stainer-Knittel und die „Geierwally“ beinahe synonym verwendet.

30 JAHRE Geierwally Freilichtbühne

Bereits im Jahr 1991, zum 150-jährigen Geburtsjubiläum Anna Stainer-Knittels, wurde mit dem Beschluss des damaligen Tourismusverbandes der Grundstein für den Bau der Freilichtbühne gelegt. Gewidmet wurde die Bühne eben jener Lechtaler Künstlerin, die mit ihrem bekannten Adlerbild den Mythos der „Geierwally“ begründete. Das von Felix Mitterer eigens für die Bühne geschriebene Stück „Die Geierwally“ konnte dann 1993 uraufgeführt werden. Direkt in den markanten Felsen der Elbigenalper Bernhardstalschlucht gebaut, war die Geierwally Freilichtbühne geboren.

Nun sind schon 30 Jahre vergangen. Der selbstlose Enthusiasmus jedes einzelnen Vereinsmitgliedes hat aus einer Idee diesen einzigartigen und in Tirol nicht mehr wegzudenken kulturellen Ort geschaffen. Doch was wäre Theater ohne Publikum?

Die Geierwally Freilichtbühne bedankt sich bei allen Zuschauern für drei Jahrzehnte Treue und Offenheit.

Für immer "Geierwally"

Es gibt Stoffe, die unsterblich sind. „Die Geierwally“, der 1875 erschienene Roman von Wilhelmine von Hillern, gehört natürlich dazu. Ausgehend vom Lechtal, von der tatsächlich existierenden Anna Knittel, die mit 17 Jahren einen jungen Adler (jeder Greifvogel wurde „Geier“ genannt) in der unzu- gänglichen Felswand aushob und später eine berühmte Blumenmalerin wurde.

Millionenfach hat sich das Buch verkauft, unzählige Male wurde die Dramatisierung – vorgenommen von der Hillern selber – aufgeführt, viele Filme gibt es, mit und ohne Ton. Warum das? Ganz schlicht und einfach: Es geht um die Emanzipation der Frau, die nicht und nicht gelingen will, vor allem nicht in der patriarchalen Gesellschaft, in der dieser Roman spielt. Es geht ja um einen Kampf mit dem übermächtigen Vater. Und es geht um den Bären- josef, ihrem heimlichen Angebeteten, dem sie ihre Liebe zu spät gesteht. Ich kannte den Roman natürlich und hatte seinen Schluss immer gehasst. Zum Schluss fordert nämlich die Geierwally ihren Bärenjosef auf, seinen Fuß auf ihren Nacken zu setzen und sie zu zermalmen.

Da der Roman im damals schon touristisch erschlossenen und bekannten Ötztal spielt, wollten die Elbigenalper „ihre Geierwally“ endlich zurück- haben und beauftragten mich nach der so erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Regisseur Ekkehard Schönwiese 1987 in Stumm im Zillertal (Stück über die protestantischen Auswanderer 1837, das ganze Tal spielte mit), ein Theaterstück über „Die Geierwally“ zu schreiben.

1993 fand die Uraufführung statt, und zwar in der Bernhardsschlucht in Elbigenalp, was damals beinahe jeder für unmöglich hielt, besonders wegen des lauten Baches, und was heute der schönste Spielort der Alpen ist: schlicht und einfach eine wunderschöne, beeindruckende Felswand.

Ja, das Ende wollte ich anders haben. Am Ende kehrt die Geierwally wieder zurück ins Reich des Eises und des Schnees. Zu den Saligen. Claudia Lang- Forcher war eine unglaubliche Geierwally, die zwei Dienstboten trieben einem die Tränen in die Augen, die zwei Ötztaler, die Wally vor dem über- mächtigen Vater retten, ebenso, aber vor Lachen. Am Ende war es die phantastische Musik von Toni Knittel, die den Ausschlag gab.

Jahre später fand ich durch einen aufgefundenen Briefwechsel heraus, dass die Hillern einen ganz anderen Schluss geschrieben hatte, den aber ihr Verleger nicht akzeptierte. Es sei noch viel zu früh, meinte er. Die Frauen, die ja den Roman lesen sollten, würden in ihrer Lage solch einen Schluss verabscheuen und das Buch keinesfalls weiterempfehlen.